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Der Telegraf
feuerlibelle, So, 27. Jan. 2008, 23:07
Europa 2004 Die Neuen lesen
TSCHECHIEN
Patrik Ouředník (geboren 1957 in der Tschechoslowakei; 1985 emigrierte er nach Paris, wo er bis heute lebt)
Telegrafen wurden im Ersten Weltkrieg vor allem zum Senden von Geheimbotschaften verwendet und zum Abfangen von Feindesnachrichten und zum Senden von Falschnachrichten, um den Gegner zu verwirren. Und im Zweiten Weltkrieg erfanden die Engländer Computer, um Geheimnachrichten dechiffrieren zu können, und in den Sechzigerjahren erfanden die Amerikaner das Internet, da sie befürchteten, die Russen könnten in einem künftigen Weltkrieg für die Freiheit und Demokratie lebensnotwendige Informationen zurückhalten.
Und dreihundertsiebzig Millionen Menschen hatten Zugang zum Internet und konnten ihre Gedanken und Sehnsüchte frei und schrankenlos austauschen. Und manche Reisebüros boten mittels Internet äußerst günstige virtuelle Reisen in entfernte Länder an - ganz nach Wunsch eines jeden Hyperbürgers.
Und Frauen konnten sich Sperma anonymer Spender über Internet bestellen und manche Labors boten Sperma von besonders qualifizierten Männern an, von Astrophysikern und Ingenieuren und Basketballprofis und so weiter. Die Frauen konnten das Sperma nach hundertfünfzehn verschiedenen Kriterien wählen, nach Staatszugehörigkeit, Herkunft, Rasse, Religion, Ausbildung, Beruf, Größe, Gewicht, Blutgruppe, Haarfarbe, Behaarungsdichte, Hodenumfang und so weiter, und sie konnten zum Beispiel das Sperma eines 36-jährigen amerikanischen Biologen afghanischer Herkunft erstehen, der schwarze Haare und blaue Augen hatte, oder das Sperma eines 32-jährigen Luftfahrtingenieurs aus Kansas baptistischen Glaubens und holländisch-ukrainischer Herkunft oder das Sperma eines 17-jährigen hochtalentierten Schauspielers chinesicher Herkunft mit kleinen Hoden.
Eine Spermie kostete im Durchschnitt 1.050 amerikanische Dollar inklusive Versand und die Frauen konnten zusätzlich eine Stimmaufnahme des Spermienspenders mitbestellen. Auf dem Band hörte man dann etwa
ICH GRÜSSE SIE! HEUTE IST EIN WIRKLICH SCHÖNER TAG, WIE GESCHAFFEN FÜR DIE LAUNEN DER NATUR. ICH HOFFE, SIE WERDEN MIT MIR ZUFRIEDEN SEIN.
Und eine Frau, die sich ein solches Band bestellte, wollte wissen, ob sie einen zehnprozentigen Preisnachlass auf das Sperma bekommen könne, da der Spender etwas lispelte...
Aus: EUROPEANA -eine kurze Geschichte Europas im zwanzigsten Jahrhundert -
Czernin Verlag, Wien, 2003
Übersetzung aus dem Tschechischen: Michael Stavaric
TSCHECHIEN
Patrik Ouředník (geboren 1957 in der Tschechoslowakei; 1985 emigrierte er nach Paris, wo er bis heute lebt)
Telegrafen wurden im Ersten Weltkrieg vor allem zum Senden von Geheimbotschaften verwendet und zum Abfangen von Feindesnachrichten und zum Senden von Falschnachrichten, um den Gegner zu verwirren. Und im Zweiten Weltkrieg erfanden die Engländer Computer, um Geheimnachrichten dechiffrieren zu können, und in den Sechzigerjahren erfanden die Amerikaner das Internet, da sie befürchteten, die Russen könnten in einem künftigen Weltkrieg für die Freiheit und Demokratie lebensnotwendige Informationen zurückhalten.
Und dreihundertsiebzig Millionen Menschen hatten Zugang zum Internet und konnten ihre Gedanken und Sehnsüchte frei und schrankenlos austauschen. Und manche Reisebüros boten mittels Internet äußerst günstige virtuelle Reisen in entfernte Länder an - ganz nach Wunsch eines jeden Hyperbürgers.
Und Frauen konnten sich Sperma anonymer Spender über Internet bestellen und manche Labors boten Sperma von besonders qualifizierten Männern an, von Astrophysikern und Ingenieuren und Basketballprofis und so weiter. Die Frauen konnten das Sperma nach hundertfünfzehn verschiedenen Kriterien wählen, nach Staatszugehörigkeit, Herkunft, Rasse, Religion, Ausbildung, Beruf, Größe, Gewicht, Blutgruppe, Haarfarbe, Behaarungsdichte, Hodenumfang und so weiter, und sie konnten zum Beispiel das Sperma eines 36-jährigen amerikanischen Biologen afghanischer Herkunft erstehen, der schwarze Haare und blaue Augen hatte, oder das Sperma eines 32-jährigen Luftfahrtingenieurs aus Kansas baptistischen Glaubens und holländisch-ukrainischer Herkunft oder das Sperma eines 17-jährigen hochtalentierten Schauspielers chinesicher Herkunft mit kleinen Hoden.
Eine Spermie kostete im Durchschnitt 1.050 amerikanische Dollar inklusive Versand und die Frauen konnten zusätzlich eine Stimmaufnahme des Spermienspenders mitbestellen. Auf dem Band hörte man dann etwa
ICH GRÜSSE SIE! HEUTE IST EIN WIRKLICH SCHÖNER TAG, WIE GESCHAFFEN FÜR DIE LAUNEN DER NATUR. ICH HOFFE, SIE WERDEN MIT MIR ZUFRIEDEN SEIN.
Und eine Frau, die sich ein solches Band bestellte, wollte wissen, ob sie einen zehnprozentigen Preisnachlass auf das Sperma bekommen könne, da der Spender etwas lispelte...
Aus: EUROPEANA -eine kurze Geschichte Europas im zwanzigsten Jahrhundert -
Czernin Verlag, Wien, 2003
Übersetzung aus dem Tschechischen: Michael Stavaric
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