l e b e n s w e i s e
Unfrisierte Gedanken
feuerlibelle, Fr, 11. Jan. 2008, 22:27
Literatur aus den zehn EU-Beitrittsländern "Europa 2004 Die Neuen Lesen";

POLEN -
Stanislaw Jerzy Lec ( geb.1909 in Lemberg, im Krieg im Konzentrationslager Tarnopol, später Diplomat, gestorben 1966. Weltberühmter Aphoristiker -Unfrisierte Gedanken)

Für die Schuld der Väter werden oft erst die Söhne ausgezeichnet.
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Manche warten auf "rotes Licht", um nicht auf die andere Seite zu müssen.
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Ich weiß nicht, ob ein Fisch noch stumm wäre, wenn er so viele Geheimnisse hätte wie wir.
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Stelle beizeiten fest, bei wessen Anblick der Hund mit dem Schwanz wedelt.
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Wie viele gibt es, die, um den eigenen Nabel nicht aus dem Auge zu verlieren, bereit sind, ihre Rücken zu krümmen!
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Man hatte mir einen Taubstummen gezeigt, der einen riesengroßen Tapferkeitsorden trug.
"Wofür?" fragte ich.
Als eines Tages, grundlos, die große Glocke Alarm geschlagen hatte - antwortete mir der Nachbar des Glöckners lächelnd - sei er als einziger ruhig und gefaßt geblieben.
Womit er seinen Mitbürgern für alle Zeit zum Vorbild geworden war.

Übersetzung: Karl Dedecius, aus: "Das große Buch der unfrisierten Gedanken", Carl-Hanser-Verlag, München 1971

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potstill, Mo, 14. Jan. 2008, 10:17
oh ja, die unfrisierten gedanken sind gut. bin erst über die biographie von reich-ranicki auf lec gestoßen, der nach dem krieg eine zeitlang zusammen mit lec gearbeitet hat.

Seine zynische Schreibweise hat mich immer schon fasziniert. Als junger Mensch, mehrere Jahre in den damaligen kommunistischen Ländern unterwegs - konnte ich selbst erfahren, wie wichtig seine Bücher als "Die kraftgebende Bibel" für die Jugend waren. Seine Gedichte aus "Über Brücken schreitend"/1950, mag ich auch sehr.
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