l e b e n s w e i s e
Trost spenden ...
feuerlibelle, So, 20. Jan. 2008, 23:54
am 11/10/2007 habe ich unter "WerteWandel/Ängste" folgenden Eintrag gemacht:
...... Meine Busenfreundin hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sie wurde im März operiert, sie lag sieben Wochen auf der Intensivstation. Chemo und Bestrahlung gestrichen. - Es geht ihr dreckig. Sie leidet und hat unerträgliche Schmerzen. Was ist das Leben noch wert?.........
Heute, drei Monate später scheint der Kampf gegen die heimtückische Krankheit verloren zu sein. Auch ein zweimaliger Aufenthalt in einer Berliner Spezialklinik hat ihr keine Erleichterung gebracht. Als ich sie heute am Telefon gefragt hab', wie es ihr geht - nachdem sie seit gestern aus Berlin wieder zu Hause ist, antwortete sie so: " die Befunde sind ganz schlecht, stell dir vor ich habe schon Metastasen in der Lunge und auf der Leber ist auch irgendwas. Es schaut nicht gut aus."
Schweigen, Pause - von beiden Seiten. Ich hab' sie nicht trösten können, weil ich sie nicht anlügen wollte. Wir haben uns für Mittwoch einen Termin ausgemacht, da werde ich sie besuchen. Bis dahin muss ich mir noch überlegen, wie und ob überhaupt ich mit ihr über das Thema "Tod" reden soll. Ich bin ziemlich ratlos.

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gutemine, Mo, 21. Jan. 2008, 01:14
Liebe Feuerlibelle,
anlügen muß man sie nicht, denn sie wird auch Bescheid wissen und will Dich vielleicht auch nur trösten. Manchmal muß man gar nicht reden, sich nur in den Arm nehmen und zusammen die Tränen laufen lassen ... oder sie fragen, ob sie über das, was vor ihr liegt , reden möchte ...
Werde ganz doll an Dich denken und umarme Dich ganz kräftig !
Liebe Grüße !
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excuses, Mo, 21. Jan. 2008, 11:17
Liebe Feuerlibelle,
ich kann aus beruflicher Erfahrung nur voll bestätigen, was Dir schon Gutemine geschrieben hat. Keine Angst vor dieser Begegnung, im Gegenteil, solche Möglichkeiten hat der Normalbürger im Leben nicht oft. Die von der Krankheit im Endstadium Betroffenen wissen sehr genau, was ihnen bevorsteht und sind oft bereit, darüber zu sprechen, wenn die Gesunden offen sind. Frau Kübler-Ross hat in ihren Büchern (z.B. "Was können wir noch tun?) solche Fragen prägnant beantwortet. Frage Deine Busenfreundin, worüber sie reden möchte oder ob sie lieber schweigen will.
Wenn Du keine Angst hast, über unsere aller Endlichkeit zu reden, dann ist diese Begegnung eine wunderbares Geschenk.
Lieben Gruß
Curt alias excuses, alias manacur, alias parole
Wenn Du spezielle Fragen hast, könntest Du ja eine E-Mail über Kontakte in einem meiner Blogs schreiben.
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pille, Mo, 21. Jan. 2008, 11:17
2003 durfte ich einen Freund die letzten Monate vor seinem Krebstod begleiten. Vor jedem Besuch habe ich meine Höhere Macht darum gebeten, mir die richtigen Worte in den Mund zu legen und die Kraft zu geben, richtig zu agieren - ungekünstelt, frei von Mitleid oder Angst.

Selten sprachen wir vom Tod, öfter davon, was er alles erlebt hat. Wie ein letztes Erinnern war das, gemeinsam mit mir.
Manchmal lachten und scherzten wir auch, als ob alles so wie früher wäre.
In meinen Erinnerungen hat er immer noch seinen Platz.
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feuerlibelle, Mo, 21. Jan. 2008, 12:44
@gutemine: Innigsten Dank für deine Unterstützung. Habe deine Mail noch in der Nacht gelesen, du hast mir sehr, sehr geholfen.

@excuses: Erdrückend ist nur der unerträgliche Gedanke, einen wichtigen Lebensmenschen, der 30 Jahre in meinem Herzen gewohnt hat, zu verlieren. Auch dir sage ich danke für die wohltuenden Worte.

@pille: Die H. ist ein so wertvoller Mensch für mich; es tut halt sehr weh, sie so leiden zu sehen. Danke auch Ihnen für die netten Worte.
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feuerlibelle, Mo, 21. Jan. 2008, 14:37
Frauenfreundschaften sind etwas Wunderbares, etwas Einzigartiges und eine unbeschreiblich schöne Lebensphase der Zufriedenheit und Ausgewogenheit. Der Grundstein der Verläßlichkeit, sich gegenseitig aufbauen, Kraft und Mut zureden, sich mit den Augen verstädigen können, klare Toleranzgrenzen ziehen, persönliche Privatsphären billigen, Unpässlichkeiten der Anderen verständnisvoll ertragen, sich gegenseitig aus der Patsche zu helfen.
So etwas findet man unter Männern nicht.
Meine Freundin H. war eine lebensbejahende starke Frau. Ja, SIE WAR-, bis vor zwei Jahren. Die Nachricht über ihre Krebserkrankung hat sie völlig aus der Bahn geworfen. Sie hat sich schleichend abgekapselt und mehrmals laut über einen möglichen Freitod sinniert. Bei unseren kilometerlangen Spaziergängen haben wir auch oft über die Zeit, "was ist, wenn " gesprochen. Der Schlusssatz von ihr war dann: "ich hab ja genug Rohypnol zu Hause, wenn ich nicht mehr will." Ihre betagte Mutter weiß bis heute nichts von der Krebserkrankung der Tochter.
Ihr Lebensgefährte und ihre jüngere Schwester pflegen sie abwechselnd. Mit mir spricht sie über Sachen, die sonst keiner zu hören bekommt. Ich bin sehr traurig.

...So etwas findet man unter Männern nicht...
Widerspruch. Ist zwar selten, aber es gibt es.
Mein Freund und ich haben das im Leben sehr spät erfahren und konnten über 4 Jahre so etwas erleben, bis er vor nicht einem Jahr dann verstarb.
LG
Curt

...aber nur äußerst selten; Einzelfälle vielleicht.
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feuerlibelle, Do, 24. Jan. 2008, 09:48
Wahrscheinlich ist keine Menschheit je dem Tode gegenüber so ratlos gewesen wie die heutige. (Carl Friedrich von Weizsäcker, Geschichte)
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pilot, Do, 24. Jan. 2008, 20:59
Liebe Frau Feuerlibelle,
Sie haben recht, eine solche Freundschaft ist tatsächlich etwas Wunderbares und Einzigartiges! Und Ihre Freundin in diesem Lebensabschnitt begleiten zu dürfen, ist ein großer Vertrauensbeweis.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft für diese Zeit!
Liebe Grüße!

Lieber Herr Pilot, vielen herzlichen Dank für Ihre wohltuenden Worte. Die allerwichtigste Sache ist jetzt, in dieser schweren Situation die richtige Balance zu finden - und ich hoffe sehr, dass ich es einigermaßen hinkriege. Bin eben dabei, meine ganze innere Kraft zu mobilisieren.
Ganz liebe Grüße auch von hier!
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siria, Di, 8. Apr. 2008, 02:12
Dieser Beitrag löst in mir wieder die Empfindungen aus, die ich vor acht Jahren hatte, als ich noch unter dem Krebstod meiner Mutter im Jahr zuvor litt.
Denn nun ging es für eine liebe, hübsche, 20 Jahre jüngere Freundin von mir ans Sterben. 15 Jahre hatte sie mit ihrer Krankheit gelebt, die immer nach langen Phasen der Hoffnung zurück kehrte. Sie lebte in diesen Jahren so intensiv, wie es gesunde Menschen vielleicht gar nicht können. Und sie plante ihre letzten vier Lebenswochen in einem Hospiz ebenso wie ihre Trauerfeier sehr bewusst und sehr persönlich in allen Details.
Sie wollte in der letzten Phase ihrer Krankheit allein nur mit ihrer Familie sein und nahm darum von allen ihren Freunden einzeln sehr bewusst Abschied.
Den letzten Tag mit ihr werde ich nie vergessen. Er hat sich mir eingebrannt wie die letzten Tage mit meiner Mutter.
Beiden Frauen bin ich von Herzen dankbar, denn ich habe viel von ihnen über Würde und über innere Stärke gelernt.

Sie werden es schon richtig machen, wenn Sie einfach nur zuhören und da sind.

es ist ein sehr sensibler lebensabschnitt - für beide teile. mit hilfe von elisabeth kübler-ross büchern habe ich es geschafft, mit der situation einigermassen umzugehen.
das schwelgen in schönen erinnerungen und der drang, noch etwas fröhliches zu erleben - diese dinge stehen bei ihr im momment im mittelpunkt. ich habe den eindruck, dass sie mit ihrer auffälligen fröhlichkeit bewusst die trauer zu verdrängen versucht. eine bewundernswerte frau.
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