l e b e n s w e i s e
Gebote und Sünden der Erziehung (I)
feuerlibelle, Di, 15. Feb. 2011, 22:31
eine lektüre aus dem vorigen jahrhundert (1954), die ich bei der v-entrümpelung gefunden habe. die broschüre ist aktueller denn je und aus gründen der modernen erziehungsmethoden möchte ich hier ein paar interessante abschnitte in periodischen abständen wiedergeben: [herausgegeben vom jugendamt der stadt wien]

gebote der erziehung: du sollst dein kind richtig lieben!

eine wohlgeordnete, liebevolle familie erzieht von selbst. wenn vater und mutter einander un ihre kinder in der rechten weise lieben, dann muß in einer solchen familie nicht mehr viel von erziehung geredet werden. aber in unserer zeit gibt es nur noch selten solche familien, der vater ist nur ein "abendstundenvater", ein "wochenendvater". oft muß leider auch die mutter außer haus arbeiten gehen. krippen, kindergärten, horte, heime und schulen sind ein ersatz für die unzureichende familie, aber die elternliebe ist kaum zu ersetzen. wenn mutter und vater ihre kinder selten sehen, müssen sie einander umso mehr in der rechten weise lieben.

richtig lieben, heißt sich selbst verschenken. solang das kind als säugling wie eine puppe behandelt werden kann, wird es oft unmäßig geliebt. aber wenn es heranwächst, wird es nicht selten unbequem. wenn es als dreijähriges trotzt oder wieder mir dreizehn jahren, wenn es sich selbst finden oder bilden will, dann stört es damit die eltern, deren wünsche und absichten. die rechte liebe ist eben dann bereit zu helfen, denn sie ist uneigennützig.

ob brav, ob schlimm, jedenfalls immer geliebt: so sollen die kinder, sicher behütet, von der liebe ihrer eltern wissen. sie müssen die sicherheit haben, diese liebende zuneigung nie verlieren zu können, was immer auch geschehen mag. die rechte liebe kann wohl auch verletzt oder verwundert werden; denn kinder können grausam und scheinbar herzlos sein. aber wenn ihre eltern sie richtig uneigennützig lieben, werden die kinder immer wieder den weg zu mutter und vater finden.

die eltern müssen zeit für ihre kinder haben, wenn das auch mancher mutter neben ihrer häuslichen tätigkeit oft recht schwer fällt oder der vater sehr ermüdet nach hause kommt. die mühe lohnt sich. die rechte liebe ist aufmerksam. endlich braucht das kind zärtlichkeit, obwohl es nicht immer geknutscht und geküßt werden soll. es gibt viele wichtige gelegenheiten für zärtliche liebe. der abschiedskuß am abend vor dem einschlafen ist so eine zärtlichkeit und ein fröhliches wachrufen am morgen noch mehr. jeder tag soll mit liebe begonnen, durch liebe gestaltet und liebevoll beendet werden.
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frauaehrenwort, Mi, 16. Feb. 2011, 13:11
Und dabei knutsche ich Emi doch so gerne, menno :-)

Ein schöner Text.

auch bei uns wird viel geknutscht....
es freut mich, dass ihnen der text gefällt - ich finde ihn auch total gut, bodenständig und sehr lebensnah, nicht zu wissenschaftlich und nicht mit psychoratschlägen versalzen.
vielleicht schaff ich's heute nacht mit der fortsetzung.
liebe grüße aus der feuchten, nebligen wiener waschküche ;-)
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feuerlibelle, Do, 17. Feb. 2011, 02:17
kleine kinder sind von natur aus eigensüchtig. sie wollen alles haben und sind heftig und sehr ungestüm um alles zu erreichen. schon ein säugling kann die ganze familie tyrannisieren, wenn er unrichtig behandelt wird. das kind kann maßlos eifersüchtig auf seine geschwister werden; es will die liebe seiner eltern ganz allein besitzen. jeder knabe mit vier oder fünf jahren will seine mutter heiraten, das mädchen seinen vater. diese natürliche eifersucht auf eltern und geschwister muss richtig behandelt werden. die eifersucht muss vom kinde selbst überwunden und nicht in ihm verdrängt werden.

verzärtelung ist schlecht und strenge ist schlecht. aber zärtlichkeit ist notwendig und forderungen sind unerläßlich; nur das übermaß ist schädlich. jedes kind muß gehorchen lernen, aber es soll verstehen, warum es gehorchen muß. blinder gehorsam ist dumm; gehorsam verlangt einsicht. das kind soll lernen mit freude zu gehorchen, eben weil es geliebt und liebend gehorcht. die zärtlichkeit nach der jeder mensch verlangt und die kinder ganz besonders, darf nicht haltlos und weich sein; sonst verweichlicht sie. sie muß das vertrauen kraftvoll machen, das zwischen kind un eltern besteht.

liebevolle gewöhnung schafft gute gewohnheiten. die macht der guten gewohnheiten kann wirklich nicht überschätzt werden. das ist es, was wir meinen wenn wir vom glück sprechen eine gute kinderstube zu haben. wenn die eltern selbst bitten und danken, dann gewöhnen sich die kinder leicht daran. die sogenannten guten formen sollen zur gewohnheit werden, über die nicht gesprochen werden muß, weil sie selbstverständlich geübt werden.

die seelenkunde weiß davon zu erzählen, dass sich das gewissen nur durch liebevolle bindung an mutter und vater bildet; dafür ist der geliebte vater sogar noch wichtiger als die mutter, obwohl diese auch wichtig genug ist. jedermann läßt sich von jemand führen und beeinflussen, den er liebt, von dem er sich geliebt weiß. das erklärt uns die seelenkunde sehr genau und sehr überzeugend. aber die persönliche erfahrung unseres herzens überzeugt uns auch ohne wissenschaft.
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herrlich, bevor sie das wegwerfen, schicken Sie es mir ;-)

Heute morgen gipfelte das zärtliche Zusammensein in kindlichen Tränen und mütterlichem Schrei:"wenn du nicht angezogen bist, sobald ich meinen Kaffee getrunken haben, bringe ich dich pudelsplitternackig in den Kindergarten!"
Uff.
Das hat beide Beteiligte recht unglücklich gemacht.
Im Kindergarten sagte ich noch (zu dem angezogenen Kind) "du weißt, ich habe dich über alles in der Welt lieb. Das ich dich so sehr lieb habe, heißt aber nicht, daß ich mich für dich zum Trottel mache" und sie "du hast mich gar nicht lieb!"
Da ist noch viel zu verbessern.

solche dramatischen inszenierungsmixes aus kindlichen tränen und mütterlichem schrei werden hier täglich, mit jeweils abgeändertem bühnenbild, uraufgeführt. wenn der vorhang aufgeht (= ich die tür öffne) und die maske schlecht sitzt (= beide mit langen gesichtern herkommen) weiß ich sofort, in welchem akt (=nach wieviel minuten) der kochtopf (= der seelische mistkübel) überläuft....
jaja, kindererziehung ist eine der schwersten arbeiten überhaupt und dann weiß man erst nicht ob's richtig oder falsch war. die erziehungsmethode.

liebe marion, die vergilbte broschüre mit nur 67 seiten gib ich nicht mehr her ;-) endlich habe ich einen bibelersatz gefunden.

hahaha.

Wahrscheinlich ist es eine Illusion, dass man andere Menschen erziehen könnte. Man muss die Kinder lieben und authentisch sein, sonst hat man keine Chance :-).
Ja, und sich selbst lieben.

Schade, dass Sie Ihre neue Bibel behalten wollen, aber sobald ich hier das eine oder andere zu lesen bekomme, freu ich mich. Das ist so wunderbares "last century", so wie ich eben auch. Und dann auch wieder gar nicht, ich möchte zu gerne wissen, wer das geschrieben hat, es ist offensichtlich viel stärker von Astrid Lindgren inspiriert als von den anderen üblichen"autoritären" Erziehern dieser Zeit.

Heute, ach, gestern nachmittag war wieder alles in Butter bei uns. Mein Kind sagt auch manchmal fast mißmutig "Mama, die ( Leonie-oder setzen Sie hier wechselnde Namen ein) findet, du bist eine tolle Mama, weil du nicht so streng bist". Und das ist wahrscheinlich das Problem, ich bin nicht gerne streng und lieber nachsichtig (weil meiner eigenen Unzulänglichkeiten viel zu bewusst) und dann arbeitet meine Tochter so lange an den Grenzen, bis es richtig "knallt" und wenn diese gesetzt sind, dann ist wieder alles gut.
Anstrengend eben. Und Sie glauben gar nicht, was ich mir zu dem Thema von meiner Mutter anhören kann, die über uns wohnt und wegen des hellhörigen Hauses das mitbekommt. ("So böse war ich nie zu Euch") Aber selbst, meiner Erinnerung nach, hat sie bei mir nicht so lange gefackelt, da gab es einen hintendrauf und fertig. Oder sie hat sich um viele Dinge gar nicht gekümmert, auch aus Zeitmangel, da wurde man dann in der Außenwelt ausgelacht, weil man z.B. nicht mit Besteck essen konnte. Als Oma aber, 40 Jahre später ist es vergessen oder interessiert nicht mehr.
Komische Welt. Mal sehen, wie ich dann bin :-)

meine liebe marion, es ist ein phänomen, dass das verhalten der mütter unvergleichlich ist mit dem verhalten derselben person in der rolle als großmutter. in dem fall spielen die lebensparameter sicher auch eine große rolle.

auf ihre frage wer das büchle geschrieben hat,
finden sie hier >> die antwort. (ich werde ihnen die paar seiten kopieren und per post zuschicken. ist das für sie ok?)


was sagen sie dazu, ist das nicht ein schöner umschlag aus den 50-er jahren?

oh danke, sehr interessant.
Ein schönes Bild, ja das war ja die Nachkriegszeit, daran hatte ich nicht gedacht, ganz direkt im Aufbau nach dem Krieg, da hatte man eine besondere Aufgabe im Blick.
Alles sollte gut werden.
Das ist ein sehr nettes Angebot, ich möchte Sie aber nicht überstrapazieren.
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