l e b e n s w e i s e
Virtuelle Welt
feuerlibelle, Do, 27. Sep. 2012, 00:59
wie sich die zeiten ändern....

früher haben wir briefe oder postkarten geschrieben, liebesbriefe mit der füllfeder in schönschrift, auf büttenpapier, oft dramatisch tränenbenetzte zeilen, auf der blattrückseite ein siegelkuss. der duft des parfums im briefumschlag sollte die leidenschaftliche sehnsucht unterstreichen...



früher hat man auch gesagt: durchs reden kommen die leute zusammen. also man traf sich bei verschiedenen sommerfesten, fünf-uhr-tees, tanzabenden, schiffsausflügen oder modevorführungen.

früher gab es auch noch das lustige winterliche federnschleißen. es wurde dabei gesungen, witze erzählt, erfahrungen ausgetauscht und sonstige neuigkeiten (dorftratsch) besprochen.

heute reden die leute kaum mehr miteinander, sie kommunizieren virtuell. anders ausgedrückt: durchs bloggen kommen die leute zusammen. und wenn die chemie stimmt, können auch koordinaten getauscht werden. dann wirds wieder persönlicher und man schreibt einander auf einem anderen kanal. mit einer anderen feder und musik aus der tube.

und das lustige rätselraten bei feuerlibelle ist die alternative zum abendlichen federnschleißen. vorerst noch ohne singen. aber was nicht ist, kann noch werden....

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sturmfrau, Do, 27. Sep. 2012, 11:40
Ich erinnere mich gut, dass es in meiner Jugendzeit für internationale Brieffreundschaften einen Vermittlungsservice gab. So lernte ich Poppy aus Griechenland kennen und Yumi aus Chile und versuchte mich im Briefeschreiben in englischer Sprache, was gut klappte und dann doch wieder einschlief. Zu wenig wusste man übereinander, und manchmal schrieb man sich bloß "How are you? I'm fine!".

Dennoch war das Briefeschreiben per Hand etwas wirklich schönes. Zum Beispiel mit alten Schulfreunden, die zum Studieren in andere Städte gezogen waren. Zu Schulzeiten pflegten wir untereinander die Sitte, uns zwei identische Kladden zuzulegen, in die wir für die jeweils andere Briefe schrieben, und diese Bücher tauschten wir dann bei jedem Treffen wieder aus. Klar, das macht man heute nicht mehr, weil es etwas Teeniehaftes an sich hat. Schön war das trotzdem irgendwie.

Die Dorfgemeinschaft an sich gibt es inzwischen ja gar nicht mehr. Bedauerlich finde ich, dass der Großteil meiner Freundinnen inzwischen so weit weg wohnt, dass ohne Terminkalender gar nichts mehr geht. Andererseits erleichtert die elektronische Kommunikation das Halten von Kontakt. Und: Es kommen Bekanntschaften und Freundschaften zustande, von denen man sich nichts hätte träumen lassen. Gemeinsamkeiten hat man von vornherein, weil man sich in bestimmten Foren und sich dann sympathisch findet, und auf einmal pflegt man Kontakte nach ganz anderswo. Und wenn man Glück hat, schafft man es doch, sich zum gemeinsamen Singen zu treffen.

Mich überrascht dabei immer wieder, in welcher Intensität Kontakte möglich sind, auch wenn man sich niemals gesehen hat. Es ist, als kennte man den anderen schon lang. Vielleicht entsteht gerade dadurch, dass der andere auf die Möglichkeit verzichtet, die Anonymität zum Zwecke einer Ego-Show zu nutzen, so eine Art grundlegendes Vertrauen in zwischen Zeilen spürbare Authentizität. Das ging mir zumindest bei Ihnen so, liebe Feuerlibelle, und ich fände es schön, das weiter wachsen zu lassen.

Wozu Rätselrunden im virtuellen Raum doch so führen können.

ein hauch von nostalgie liegt hier in der luft - ach, wie federleicht schwebend schön sind die erinnerungen an seinerzeit....

ich will jetzt nicht behaupten wollen, dass ich das virtuelle zeitalter nicht mag, aber wenn nur irgendwie möglich, ziehe ich persönliche begegnungen auf augenhöhe vor. aber natürlich, die elektronische kommunikation ist heutzutage aus unserem leben nicht mehr wegzudenken, zumal die neue ipod-generation uns gar keine andere wahl mehr lässt.

ich muss mich immer wieder fragen: wie haben wir uns früher (ohne handy, ohne internet) organisiert und wie war die lückenlose verständigung innerhalb einer gruppe?
an eine methode kann ich mich noch gut erinnern: wir haben bestimmte baumstämme entlang der straße gekennzeichnet und dort je nach dringlichkeit zetteln angebracht. es hat ausgereicht, wenn nur einer aus unserer gruppe die botschaft gelesen hat - der hat in windeseile alle anderen persönlich aufgesucht. das waren die kuriere.

liebe sturmfrau, ich fände es auch schön, unseren virtuellen kontakt weiter wachsen lassen und dankeschön für ihren beitrag zu "erinnerungen an seinerzeit"
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marion, Do, 27. Sep. 2012, 14:28
(ich muss jetzt "federnschleißen" guhgeln gehen.

Ja.

Aber die Globalisierung hat ihre guten Seiten, die "Brieffreundschaften", das Porto ein frühes Taschengeldgrab, sind schneller und einfacher möglich,
Das dörfliche Leben bot außer der Gemeinschaft aber als negative Ausprägung auch die Abschottung,
auch von Informationen über den Rest der Welt.
Das ist heute nicht mehr denkbar.

Ich habe mir durch den immer größeren Anteil des PCs privat oder als Arbeitsgerät schon vollkommen die Handschrift verdorben. Und als ich einmal versuchte für eine ABC-Schützin als Geburtstagsgeschenk schönes Briefpapier zu finden, musste ich feststellen, dass es so etwas wohl nur noch auf dem Flohmarkt oder in sehr teurer und edler Version gibt. In unserer Jugend (hihi) gab es viele schöne und erschwingliche Briefpapiere, da machte es doppelt Spass Brieffreundschaften zu pflegen.

Internet ermöglicht auch so schöne Dinge wie Partnerklassen für Grundschüler. Das finde ich traumhaft, per skype den Kontakt zu anderen Zwergen in der Welt.

aha.
In unserer Region war das Latwergerühren üblich und wird von Landfrauenvereinen wiederbelebt:
http://www.echo-online.de/region/ruesselsheim/Der-Geschmack-von-Bauschheim;art1232,3223968

Auf Östereicherisch entspricht latwerge am ehesten dem Powidl. Meine Mutter weiß noch von Zeiten zu erzählen, als nachts überall die Lichter brannten, die Burschen mussten nur dem Duft nachgehen und boten der Hausfrau ihre Mithilfe an, gegen ein Schmalzbrot mit Schnaps etwa. Die Latwerge wurde mindestens 12 Stunden über dem Feuer gerührt, damit sie nicht anbrannte. Das war eine anstrengende Nachtarbeit, bei der sich alle kräftigen Leute abwechseln mussten.

ich kann mit internet gut leben, lasse mich aber von dem dings nicht vereinnahmen, weil mir meine freizeit zu wertvoll ist, um stundenlang vor dem gerät zu sitzen.

zum glück habe ich noch viele "unvernetzte" freundinnen, die sich viel lieber auf einen kaffee treffen und tratschen oder mich zu vernisagen verschleppen. über das reale leben in der provinz brauche ich ihnen nix erzählen, dort gelten andere sitten und dort schwingt auch die gelebte körpersprache noch mit....

wissen sie, dass ich leidenschaftlich gerne briefe schreibe an meine zwei urgroßtanten und an bekannte ins ausland. wenn ich loslege, dann sind gleich vier seiten voll und einen hauch von "mir" schicke ich mit. allerdings weihnachtskarten oder ostergrüße schreibe ich schon seit jahren nicht mehr. schade ums geld....

die geschichte mit latwerge-rühren hab ich schon irgendwo mal gehört. war auch eine nette gepflogenheit, aber soviel hilfbereite burschen würden sich heutzutage sicher nicht mehr finden. zumindest nicht gegen ein schmalzbrot mit schnaps.

wir sollten uns mit dem thema " erinnerungen an seinerzeit" öfters auseinandersetzen und zwar aus verschiedenen bereichen.
was sagen sie dazu, liebe marion?

es sind ja gar nicht meine, nur die weitererzählten.

mein opa war schuster und hatte nur volksschule, er musste früh für sich und die seinen sorgen. vom erbe seiner frau kauften sie sich ein kleines haus mit garten und großer scheune und kleinen stallungen. in diesen 4 zimmern würde heute keiner mehr wohnen wollen, damals hatten sie 2 schlafzimmer für eltern und 4 kinder und eine gute stube die nur zu hohen feiertagen betreten wurde und in einem raum befand sich die werkstatt, der arbeitstisch stand traditionell auf einem podest, die diversen nähmaschinen und lederpressen sowie das leistenregal nahmen auch viel platz ein. und wie meine mutter und ihre schwestern noch gerne erzählen, war dort immer die bude voll, besonders von kindern, denn der schuster liebte es, beim arbeiten geschichten zu erzählen.
manchmal tut es mir leid, dass ich ihn erst so spät kennen gelernt habe :-)

gerade die weitererzählten sind so wertvoll. die wird man im guugl vergeblich suchen. ich habe auch noch einige erzählungen im hinterkopf und wenn die langen abende kommen, werde ich mich drübermachen und das eine oder andere g´schichtl hier reinstellen.
danke liebe marion!
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siria, Do, 27. Sep. 2012, 15:58
Für meine Eltern und mich als Bewohner einer Großstadt war eine Form der Kommunikation das gemeinsame Fernsehen in der guten Stube. Denn meine Eltern hatten einen der ersten Fernsehapparate in der Stadt - sie handelten ja damit. Und so war unser Wohnzimmer an Karneval zur Übertragung der Züge in Köln, Mainz und Düsseldorf oder zu jedem WM-Fußballspiel oder zu einem Fernsehauftritt der Callas immer vollgestopft mit Nachbarn und Freunden.
Also irgendwie auch virtuelle Welt...

Aber sonst gab es für mich natürlich viele direkte Begegnungen: Beim Camping, in Musikclubs, beim Singen und Tanzen, auf dem Bremer Freimarkt, beim Schlittschuhlaufen auf den überschwemmten Wiesen. Briefchen habe ich natürlich auch geschrieben - heute finde ich es mit der Hand sehr mühsam und bekomme leicht einen Krampf.
Kulturverlust ist das in gewisser Weise schon, und das mag man bedauern. Aber die virtuelle neue Welt ist eben auch eine neue Kultur.
Die Windmühlen von heute sehen ja auch anders aus als die der Vergangenheit...

ach, richtig! das gemeinsame fernsehen habe ich schon komplett verdrängt. die zeit der ersten televisionen hinter dem eisernen vorhang war sowieso ein wunderding: wir sind vor einer großen geschäftsauslage auf dem gehsteig gestanden (mitgebrachte decken zum einwickeln) wie im freiluftkino und haben trotz miserabler bildqualität die eishockey-wm mit offenem mund verfolgt.

...aber die virtuelle neue welt ist eben auch eine neue kultur. die windmühlen von heute sehen ja auch anders aus als die der vergangenheit...
sie haben recht, liebe siria!

Guten Morgen,
für mich ist das WorldWideWeb genau das, was es sagt - eine weltumspannende schnelle Möglichkeit, sich mit allen möglichen Menschen auszutauschen. Es hat den ungeheuren Vorteil. daß ich - anders als bei meinem jahrelangen (und, ja sauteuren) Briefgeschreibe in die ganze Welt - weitaus schneller merke, mit welch Geistes Kind ich es zu tun habe und derartig (entschuldige die Überheblichkeit) leider oft sinnlosen Briefaustausch schnell beenden kann.
Ich schreibe übrigens heute weit lieber Briefeals man es mir als Kind an Tanten und ähnliche Verwandtschaft befohlen hatte. Ich schreibe an an meinen Vater, der nur einen Hang hinunter, ein Tal durch und einen Hang hinauf entfernt lebt, ich schreibe an einige andere Menschen auf der ganzen Welt.
Die Kommunikation mit meiner Wohn - Umgebung war noch nie erfüllend, weil Interessen und Wissen so weit auseinander lagen, vielleicht hätte ich irgendwo in Uninähe bleiben sollen? Es ist nícht so, daß ich mit meinen bäuerlichen Nachbarn gar nicht spreche, aber es erschöpft sich auf Kirchtags- und Sommerfest- Dialoge, nähere Bekanntschaften haben in die für mich extrem unergiebige Richtung Haushalt-Kochenheute-Kinder-Mannhat neues Auto und Ähnliches geführt und dafür war mir dann meine Zeit zu kostbar, da geh' ich lieber mit meinen Hunden Schwammerln suchen.
Übrigens, ich hätte auch früher meine Abende nicht federnschleissend in einer sangesfrohen Frauenrunde verbracht sondern in einem Konzert oder in der Oper.

Und ich finde die heutigen Windräder schön, anders schön als früher die wind- und wasserbetriebernen Mühlen (die es nun ja auch wieder vermehrt gibt).
Für mich liegt der Reiz in der Verbindung von Tradition und einem naturnahen Heute.... und so weiter und so fort......
bevor es schmalzig wird, hör ich lieber auf und geh' weiter in das nächste bLog ;)
Liebe Grüße, Iris

ich meine, das eine hat so gut eine daseinsberechtigung wie das andere. es sind werkzeuge, derer man sich richtig bedienen muss, dann werden sie nicht zum stressfaktor oder zeitfresser. und es kommt darauf an, mit wem man wie umgeht - aber im grunde ist das ja immer so, ob persönlich oder schriftlich oder telefonisch bleibt sich da gleich.

briefe schreibe ich schon lange nicht mehr: kann keiner lesen ausser mir. mit den kaputten fingern schaffe ich nur wenige zeilen in akzeptabler form, und dann muss ich auch noch recht gross schreiben, da lob ich mir die elektropost - und kostengünstiger ist sie ja ausserdem. und schneller und zuverlässiger auch, und wenn es wichtig ist kann man immer dafür sorgen dass man weiss ob der andere die nachricht bekommen hat.

was mir ein graus ist sind die kurzen nachrichten mit abgekürzten wörtern, in schlagwortform. sowas ist gut für erinnerungen, aber nicht für die kommunikation. beim schreiben richtiger briefe - oder auch e-mails - denkt man darüber nach was man schreibt, man formuliert ordentlich, bei elektropost kann man ja auch noch bearbeiten und hin- und herschieben mit den absätzen, das macht schon bei der herstellung spass, so wie beim bloggen.

natürlich kann man sich so kennenlernen, der rest muss sich dann ergeben. aber elektrisch kann man viel besser über grosse entfernungen kommunizieren, das müssen wir zugeben. sich z.b. mit iris schnell einmal auf einen kaffee zu treffen wäre von wien aus gar nicht möglich.

es gibt auch leute, die mit dem telefon probleme haben: wenn sie ihr gegenüber nicht sehen, dann fehlt ihnen ein teil vom kontakt. ich selber wiederum habe so lange mit dem telefon gearbeitet - einfach auch aus zeitgründen - dass mir drei oder vier stunden telefonieren gar nicht auffallen, vorausgesetzt, ich kenn die leute entsprechend gut oder das thema ist entsprechend interessant. das ist in der zwischenzeit oft sparsamer als sich mit jemandem zu treffen: man ist zeitunabhängig, braucht nicht aus dem haus gehen und weder jemand auf einen kaffee einladen noch geld ausgeben. und wenn die schuhe drücken kann man sie einfach ausziehen.

persönliche treffen mag ich aber auch nicht missen: das ist wiederum etwas ganz anderes, sozusagen die hohe schule der kommunikation. da bereitet man sich vor, denkt darüber nach wann und wo, und worüber man denn gerne reden will - weil alle themen sind ja wiederum nicht für die schriftliche form welcher art auch immer geeignet, und so weiter: eine ganz andere qualität der kommunikation.

gerade ist mir wieder eingefallen wie stolz ich auf mein erstes persönliches briefpapier war: mit meinen initialen, zartgelbe bütte mit dunkelbraunem druck und dunkelbraun gefütterten kuverts. da war ich zwölf, eines der schönsten geschenke die ich je bekam, mit nachdruckgarantie (war auch notwendig). mit 16 gab es dann die passenden visitekarten dazu - meine heutigen schauen immer noch so ähnlich aus. und sie kommen immer noch aus einer druckerei, nicht aus dem pc, so wie es sich gehört.

man muss die dinge benutzen - dazu sind sie da. und man muss sie mit sorgfalt und verstand benutzen, und mit respekt, sonst werden alle diese liebgewordenen oder auch nur praktischen dinge zu einem klotz am bein, denke ich.

bevor hier das thema völlig verdreht aus dem ruder gerät, möchte ich einlenken und deutlich machen, dass es keineswegs darum geht das internet zu verteufeln oder sonst wie schlecht zu machen, sondern wie schon im hauptbeitrag angeführt, auf allgemeine veränderungen der gepflogenheiten und der kulturellen gegebenheiten hinzuweisen.
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