l e b e n s w e i s e
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feuerlibelle, Di, 23. Dez. 2008, 13:28
die weihnachtsstiefel

dezember 1944 in sibirien. die einheit, bei der mein großvater diente, war bis auf drei kameraden aufgerieben worden. für sie war, abgeschnitten von allen verbindungen, der krieg zu ende. sie waren nur noch von dem gedanken getragen, möglichst rasch zurück in die heimat zu gelangen. beißende kälte machte den männern zu schaffen und der hunger war ihr ständiger begleiter. durchziehende truppen und die bauern hatten alles niedergebrannt und vernichtet, bevor sie abzogen.

am weihnachtstag gelangen sie in ein niedergebranntes dorf. der großvater durchsuchte die ruinen in der hoffnung etwas essbares zu finden und eine schlafstelle zu finden, die schutz vor der größten kälte der nacht bot. plötzlich vernahm er ein leises wimmern aus dem hintersten winkel einer ruine. leise schlich er sich heran. eine katze, ein hund war sein erster gedanke, egal was auch immer, hauptsache etwas zu essen. drei patronen hatte er noch und er umklammerte sein gewehr fester. vorsichtig entfernte er die halbverbrannte tür und entdeckte ein wimmerndes bündel. das war kein hund, auch keine katze, sondern ein mensch, ein junger russischer soldat in einer vertrockneten blutlache. starke fieberschübe schütteln seinen ausgemergelten körper. der großvater stellt sein gewehr weg und schaut nach, ob er dem armen kerl helfen kann, der ihn mit angstvollen augen ansieht. mit seinen kalten händen kühlt er das heiße gesicht des jungen mannes. die angst vor dem feind ist gewichen. so kauern sie einige zeit zusammen. der kalte körper des großvaters kühlt den heißen fiebrigen körper des russen und erwärmt sich zugleich. plötzlich fährt der junge russe hoch und sagt: "nehmen, nehmen, nix mehr brauchen" und dann sackt er in sich zusammen und sein leiden ist zu ende. der großvater wusste zunächst nichts mit diesen worten anzufangen, doch dann fiel sein blick auf die neuen stiefel des jungen mannes. ja, diese waren viel besser als die lumpen um seine füße, die nur unzureichend seine zehen gegen das erfrieren schützten. sie waren ihm viel zu groß, doch zu improvisieren hatte er gelernt und mit teilen seiner fußlumpen passten die stiefel. und so hat seine menschliche nähe das sterben des jungen mannes erleichtert und dieser hatte ihm mit seinem weihnachtsgeschenk vermutlich das leben gerettet, denn monate später kam er in diesen stiefel nach hause.

[weihnachtsgrüße von irène, dankeschön!]

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siria, Di, 23. Dez. 2008, 18:08
Eine bewegende Geschichte. Tut weh...
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