l e b e n s w e i s e
Sonntag, 1. November 2009
November
feuerlibelle, So, 1. Nov. 2009, 23:55
kürzer werden nun die tage
die natur legt sich zur ruh`.
kälte, nässe, graue wolken
decken dann den himmel zu.

als würd` alles schwerer werden
dichter nebel legt sich nieder
fröstelnd gehst du deine wege
trübsinn, alle jahre wieder.

warum muss ich so empfinden
macht es wirklich einen sinn
dass ich, wenn november ist
so entsetzlich traurig bin.
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Donnerstag, 8. Oktober 2009
Traumwolken
feuerlibelle, Do, 8. Okt. 2009, 21:16


wolkengleich treiben die träume,
sie gaukeln die illusion
von flucht aus der kahlen beengtheit der räume
und segeln zu glück, lieb’ und freiheit davon!

bedeckend ein leben voll sorgen und not,
mit traumgewebt seid’nem gespinn,
umhüllend die ängste um krankheit und tod
sie tragen zum strand deiner sehnsucht dich hin!

doch träume sind wolken, wie daunen so leicht,
sie betten noch glücklich und samtweich dich ein,
ein kurzer, ein kräftiger windstoß schon reicht,
die wolken zerreißen, der alltag ist dein!


aus: gedanken und gedichte von dr.arthur widetschek (1944-1987)
herausgegeben von dr.heidelinde faltl im september 1988

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Donnerstag, 1. Oktober 2009
Der Herbst des Einsamen
feuerlibelle, Do, 1. Okt. 2009, 03:07
ein gedicht
von
georg trakl




der dunkle herbst kehrt ein voll frucht und fülle,
vergilbter glanz von schönen sommertagen.
ein reines blau tritt aus verfallner hülle;
der flug der vögel tönt von alten sagen.
gekeltert ist der wein, die milde stille
erfüllt von leiser antwort dunkler fragen.

und hier und dort ein kreuz auf ödem hügel;
im roten wald verliert sich eine herde.
die wolke wandert übern weiherspiegel;
es ruht des landmanns ruhige gebärde.
sehr leise rührt des abends blauer flügel
ein dach von dürrem stroh, die schwarze erde.

bald nisten sterne in des müden brauen:
in kühle stuben kehrt ein still bescheiden,
und engel treten leise aus den blauen
augen der liebenden, die sanfter leiden.
es rauscht das rohr; anfällt ein knöchern grauen,
wenn schwarz der tau tropft von den kahlen weiden.

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Dienstag, 18. August 2009
Drei Tage noch, ...
feuerlibelle, Di, 18. Aug. 2009, 22:28


ein gedicht
von
rainer maria rilke

aus dem buche: dir zur feier (1897/1898)

mir ist, als ob ich alles licht verlöre.
der abend naht und heimlich wird das haus;
ich breite einsam beide arme aus,
und keiner sagt mir, wo ich hingehöre.

wozu hab ich am tage alle pracht
gesammelt in den gärten und den gassen,
kann ich dir zeigen nicht in meiner nacht,
wie mich der neue reichtum größer macht
und wie mir alle kronen passen?

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Mittwoch, 17. Juni 2009
Liebes – Lied
feuerlibelle, Mi, 17. Jun. 2009, 15:16


ein gedicht
von
rainer maria rilke

[neue gedichte 1907]

wie soll ich meine seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern dingen?
ach gerne möchte ich sie bei irgendwas
verlorenem im dunkel unterbringen
an einer fremden stillen stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine tiefen schwingen.
doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein bogenstrich,
der aus zwei saiten eine stimme zieht.
auf welches instrument sind wir gespannt?
und welcher geiger hat uns in der hand?
o süßes lied.

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Donnerstag, 8. Januar 2009
Nächtens
feuerlibelle, Do, 8. Jan. 2009, 02:54
wien süd bei –4,6º C



ein gedicht
von
rainer maria rilke


nächtens will ich mit dem engel reden,
ob er meine augen anerkennt.
wenn er plötzlich fragte: schaust du eden?
und ich müsste sagen: eden brennt

meinen mund will ich zu ihm erheben,
hart wie einer, welcher nicht begehrt.
und der engel spräche: ahnst du leben?
und ich müsste sagen: leben zehrt

wenn er jene freude in mir fände,
die in seinem geiste ewig wird,–
und er hübe sie in seine hände,
und ich müsste sagen: freude irrt


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Freitag, 5. Dezember 2008
Advent
feuerlibelle, Fr, 5. Dez. 2008, 20:18
ein gedicht
von
rainer maria rilke




es treibt der wind im winterwalde
die flockenherde wie ein hirt,
und manche tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird;
und lauscht hinaus. den weißen wegen
streckt sie die zweige hin – bereit,
und wehrt dem wind und wächst entgegen
der einen nacht der herrlichkeit.

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Freitag, 3. Oktober 2008
Herbst
feuerlibelle, Fr, 3. Okt. 2008, 00:18
ein gedicht
von
rainer maria rilke




die blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den himmeln ferne gärten;
sie fallen mit verneinender gebärde.

und in den nächten fällt die schwere erde
aus allen sternen in die einsamkeit.

wir alle fallen. diese hand da fällt.
und sieh dir andre an: es ist in allen.

und doch ist einer, welcher dieses fallen
unendlich sanft in seinen händen hält.

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Freitag, 19. September 2008
Herbsttag
feuerlibelle, Fr, 19. Sep. 2008, 20:17


ein gedicht
von
rainer maria rilke


herr: es ist zeit. der sommer war sehr groß.
leg deinen schatten auf die sonnenuhren,
und auf den fluren laß die winde los.

befiehl den letzten früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südliche tage,
dränge sie zur vollendung hin und jage
die letzte süße in den schweren wein.

wer jetzt kein haus hat, baut sich keines mehr.
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange briefe schreiben
und wird in den alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die blätter treiben.

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Donnerstag, 14. August 2008
Kostbarkeiten von RMR
feuerlibelle, Do, 14. Aug. 2008, 21:21
|||

... bei kulturtempel
an dieser stelle ein großes dankeschön an herrn w. für die veröffentlichung der herausragenden handschriflichen gedichte von rainer maria rilke.
ich freu mich sehr!

ein gedicht ist immer die frage nach dem |ich|.



im gedicht ist die sprache zur ruhe gebracht,
und der mensch lebt,
gestillt,
für einen augenblick im schweigen.

(g.benn, marginalien + krise der sprache)

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